Trainer: vom Breiten- zum Leistungssport

Trainer C Leistung Ausbildung des BPV NRW vom 10-12.10.2022 in Hachen

Eine Zusammenfassung von Henry Jürgens, Münster

Es war eine gelungene Premiere, nein, es war eine sehr gut gelungene Premiere!

Seit 2021 gilt das neue System in der Trainerausbildung des Deutschen Pétanque Verbands, in dem die Ausbildung zum C-Trainer Breitensport die Grundlage und Basis für alle weiteren Trainerausbildungen bildet. In 120 Lerneinheiten wird hier alles vermittelt, um in einem zielgerichteten, planmäßigem Prozess Menschen zum Kugelsport zu bringen, sie dafür zu begeistern – und das vom ersten Kugelkontakt an.

Es gibt vermutlich auf deutschen Bouleplätzen ebenso viele selbsternannte Bouleexperten, Spitzenspieler und somit kompetente Trainer/innen, wie es zur Fußball WM selbsternannte Bundestrainer/innen gibt. Die Ausbildung C-Trainer/innen Breitensport bietet all diesen Menschen die Möglichkeit, ihr Engagement auf einen soliden methodisch-didaktisch-taktisch-technischen Boden zu stellen.

Die Breitensporttrainer/innen sammeln nach ihrer Ausbildung in der Praxis viele wertvolle Erfahrungen, tauschen sich im Trainer/innen Netzwerk NRW miteinander aus und lernen Chancen, Hürden und Betätigungsfelder innerhalb der Trainer/innentätigkeit kennen.

Michael Weise leitete die Ausbildung gemeinsam mit Norbert Koch.

An diesem Punkt liegt eine entscheidende Schnittstelle in der Trainer/innenausbildung. Breitensporttrainer/innen haben die Wahl:

  • sich einzugestehen, dass die Trainer/innentätigkeit nichts für sie ist.
  • genau im Bereich Breitensport IHREN Bereich gefunden zu haben und sich über verschiedene Module des BPV innerhalb des Breitensports weiterzubilden, zu spezialisieren, zu qualifizieren (Boule in der Reha, Boule mit Senior/innen, Boule im Bereich Kinder und Jugend, Boule mit Langzeitarbeitslosen, Boule mit Handicap, Boule & Bike, Boulandern etc)
  • die Begeisterung, die Erfolge, die Motivation in ihrer eigenen Trainer/innentätigkeit zu nutzen, um auf die nächste Stufe zu gelangen.

Und genau hier beginnt die Trainer/innenausbildung C –  Leistungssport.

Am 10.10.22  fanden sich 10 Trainer/innen aus vier Bundesländern in Hachen ein, die alle in den letzten drei Jahren ihre Breitensportausbildung bei Michael Weise und Norbert Koch absolviert hatten. Und ja, es waren genau die besonders aktiven und motivierten Breitensporttrainer/innen, die mit ihren vielfältigen und reichhaltigen Erfahrungen aus dem zurückliegendem Jahr als Trainer/in, und dem Gefühl: „Da geht noch mehr!“ jetzt in einem Seminarraum saßen.

Nicht nur diese qualitativ ungemein fruchtbare Zusammenstellung aus Trainer/innen sorgte für eine sehr konstruktive, effiziente Ausbildung.

Das ganz große Plus dieses Ausbildungssystems liegt darin, dass Michael und Norbert ihre stringente Linie im Verständnis von Trainingsphilosophie hier weiterführen können. Die Kontinuität der Ausbildung, die ohne Wiederholungen auf die Breitensportausbildung aufbaut, ist sehr effektiv und ermöglicht in relativ kurzer Zeit einen großen Zugewinn an Kompetenzen.

Ein weiteres Plus sind die vielfältigen Erfahrungen (Schiedsrichter, Boule & Bike, Pétanque Leistungsabzeichen, Vereinsvorstände, VHS Boulekurse etc.), die die Breitensporttrainer/innen seit ihrer Ausbildung gemacht haben und bereichernd in den Kurs mit einbringen.

Optimale Bedingungen für die praktische Ausbildung im Sport- und Tagungszentrum des LSB NRW.

Nun zum Ablauf und den Inhalten des Kurses im Oktober 2022:

Zunächst ging es um die großen Fragen: „Was ist eigentlich Leistungssport?“ und: „Wie grenzen wir Leistungssport vom Breitensport ab?“. Wenig überraschend zeigte sich schnell, dass es hier kein Schwarz/Weiss, oder eine klare Abgrenzung gibt, was wir im Laufe des Seminars noch bei einigen anderen Punkten feststellen durften. Nein, es ist ein Kontinuum und ein fließender Übergang vom Breitensport zum Leistungssport.

Unsere Ausbildung heißt Trainer C – LEISTUNGSSPORT. Wie definieren wir denn nun unsere Arbeit als Trainer/innen und wie werden wir dem Thema Leistung gerecht?

Im Leistungsbereich geht es als zentralem Aspekt darum – im Gegensatz zum Breitensport, wo dieser Aspekt untergeordnet wird – , die Leistungen der Spieler/innen zu verbessern.

Im Leistungsbereich ist Training nicht ein „beliebiges Kugelschmeissen außerhalb des Spiels“, oder eine beliebige Auswahl und Durchführung von Übungen (die gibt es ja inzwischen zahlreich und qualitativ hochwertig im Netz und der Fachliteratur).

Training ist ein zielgerichteter, planmäßiger Prozess, den Trainer/innen initiieren und steuern.

Es geht immer darum, trainingswirksame Reize zu setzen!

Nun müssen wir feststellen: Boule ist anders.

Hier ist nicht so einfach, wie es beispielsweise in der Leichtathletik auf den ersten Blick erscheint. Wer beim Mittelstreckenlauf schneller werden will, muss Trainingsreize setzen. Es ist intensiv erforscht, mit welchen Methoden und welcher Trainingsintensität, sich der Körper des Athleten im Bereich der Sauerstoffaufnahme, Beweglichkeit und beim Muskelaufbau durch das Training optimieren läßt und der Athlet schneller wird (sehr vereinfacht beschrieben).

Physische Trainingsreize zur Verbesserung der Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft beim Pétanque Sport sind ab einem gewissen Spielniveau ebenfalls wichtig und wirksam. Gerade im Leistungsbereich, um den es ja in dieser Ausbildung geht, wird oft der Fitnessbereich vernachlässigt. Wer an zwei aufeinanderfolgenden Turniertagen 400-500 Portées aus der Hocke spielt, oder 400-500 mal technisch sauber schiessen will, braucht eine hohe Fitness.

Wie diese Verbesserung der Fitness, zum Beispiel über Boulastik, zu erreichen ist, ist allen Trainer/innen aus dem Übungsleiter/innen Basismodul und der Breitensportausbildung bekannt. Michael und Norbert beschäftigten sich in der C – Trainer Leistung Ausbildung dann damit, wie, wann, wer, mit wem, wo, wieso etc. an der Fitness von Spieler/innen zielgerichtet und systematisch gearbeitet werden kann und soll.

Dazu gab es noch ergänzende Einheiten zur progressiven Muskelentspannung und zum sensomotorischen Kraft-Zirkeltraining, welche das Fitness-Repertoire der angehenden C-Leistungstrainer/innen noch einmal entscheidend erweiterten.

Aber Boule ist nun einmal anders, weil die reine körperliche Fitnessverbesserung, im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten, nur einen relativ geringen Anteil der absoluten Leistungsfähigkeit ausmacht.

Naturgemäß sind die Inhalte der Trainer-Ausbidlung überwiegend theoretisch

Wie setzen wir also trainingswirksame Reize im Bereich Technik, Taktik und mentaler Stärke, Teambildung etc. ?

Hier geht es also weit über das einfache Durchführen von bereitstehenden Übungsreihen hinaus. Und genau in diesem Bereich ist bei Michael Weise und Norbert Koch eine außergewöhnliche Kompetenz vorhanden.

Das „Handwerkszeug“ Bewegungen zu analysieren, Fehler zu diagnostizieren, Verbesserungspotential zu erkennen wurde im ersten Schritt, bei schönstem Herbstwetter, auf dem Bouleplatz vermittelt.

Die Bewegungsanalyse und das Erkennen von „Fehlern“  ist der erste Schritt im großen:

WENN.……….., DANN…………

WENN wir, immer ausgehend vom Technikleitbild, welches bei allen Teilnehmer/innen bereits im Breitensportkurs ausgiebig verinnerlicht wurde, Fehler erkennen und benennen können, Verbesserungspotentiale vor Augen haben, DANN wollen wir den Spieler/innen Tipps und Übungen zeigen, die ganz individuell auf sie abgestimmt sind und sie weiterbringen.

Im Rahmen einer guten und differenzierten Fehler- und Bewegungsanalyse wurden die Bereiche der vestibulären Reflexe, interner und externer Fokussierung sowie biomechanischer und neuromuskulärer Muster eingehend behandelt.

Wir Trainer/innen verstehen nun, was bei den Spieler/innen los ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Trainer/innen ihre Analyse samt Korrektur den Spieler/innen so vermitteln können, dass diese das auch verstehen und umsetzen können.

Welchen Typ Spieler/in habe ich als Trainer/in vor mir? Kognitiv, visuell, auditiv, emotional, rational? Wie tickt der/die Spieler/in? Wie lernt der/die Spieler/in? Welchen Ansatz wähle ich als Trainer/in, um die Spieler/innen zu erreichen?

Mit welchen Bildern, Metaphern, Analogien, Bewegungsanweisungen etc., helfe ich den Spieler/innen, dass es „Klick“ macht?

Hier verfügen Norbert und Michael über ein breites Wissen und vermitteln den angehenden Trainer/innen auch, wie diese neue und eigene Bilder etc. entwickeln können, die dann zum persönlichen Stil der neuen Leistungstrainer/in werden können.

Diese Thematik ist unglaublich komplex und macht es aus, ob man ein guter Trainer, ein sehr guter Trainer wird, oder auf einem Niveau steckenbleibt. Denn letztendlich geht es im Leistungsbereich darum, ob ein/e Trainer/in die Spieler/innen erreicht und somit trainingswirksame Reize setzen kann, die zu einer Leistungsverbesserung führen.

Teamentwicklung und Saisonplanung

Ein großes und ausgesprochen schwieriges Thema, da es in weiten Bereichen der Bouleszene hier eingefahrene und verfestigte Strukturen gibt, die eine effektive und konstruktive Arbeit in diesem Bereich erschweren.

Zu diesem Thema war am ersten Abend mit dem sehr erfahrenen B -Trainer und „Urgestein“ des Trainerwesens in NRW, Ludger Roloff, ein echter Experte per Zoom zugeschaltet.

Ludger berichtete über die Teamentwicklung und Saisonplanung mit einem Regionalliga-Team aus NRW, welches er als Trainer in der letzten Saison begleitet hat.

Sehr durchdacht, kompetent und mit tollen Analyse- und Planungsmaterialien, die er selbstverständlicherweise den Teilnehmer/innen des Seminars zur Verfügung stellt, stellte Ludger seine Arbeit als Trainer mit dem Team vor. Gerade auch seine Methoden zur Leistungsdiagnostik vor der Saison hatten Hand und Fuß. By the way: Ein tolles Instrument der Leistungsdiagnostik mit dem Pétanque Leistungsabzeichen stellten uns Regina und Hanjo am Folgetag vor.

Über die Chancen, Grenzen, Erfolg und Scheitern innerhalb der Trainer/innenarbeit in der Teamentwicklung und des Teamtrainings im Ligabetrieb wurde viel diskutiert und es wurden Strategien zur Konfliklösung beleuchtet.

In einer weiteren Lerneinheit ging es dann um Konzepte und Methoden bei der Betreuung und Entwicklung von Liga-Teams.

Der zweite Abend stand dann ganz im Zeichen der sportpsychologischen Auseinandersetzung mit dem Pétanquesport. Dass der psychologische Aspekt, unter den natürlich auch das große Feld des mentalen Trainings mit den Stichworten Konzentration und Fokussierung fällt, innerhalb der drei Tage ständig präsent war und bearbeitet wurde, versteht sich von selbst.

Körperwahrnehmung, Körpergefühl, Bewegungsgefühl – FLOW.

Was ist das, und welchen Einfluß haben diese Punkte auf die Leistungsfähigkeit, und wie kann ich diese beeinflussen und steuern?

Das hört sich genau so komplex und interessant an, wie es ist. Und vermutlich gibt es wenige Trainer/innen, die über diese Thematik so kompetent und kurzweilig referieren können wie Michael Weise. Und selbstverständlich wurde darüber noch bis tief in die Nacht beim informellen Teil des Seminars debattiert.

Nach diesen drei Präsenztagen in Hachen bekamen alle neuen Trainer/innen die „Hausaufgabe“ ihren Fundus an „WENN ……, DANN“ – Pärchen zu erweitern und diese dann in eine gemeinsame Datei im Trainernetzwerk einzustellen.

Den Abschluss der Ausbildung bildet im November eine Zoom Konferenz mit dem Bundestrainer Sönke Backens zum Thema: „Rund um das Training“, welche mit Sicherheit hochinteressant wird und weitere Impulse setzt, die dann im Trainernetzwerk diskutiert und weiterentwickelt werden können.

Die Umsetzung des neuen Wissens bringt Abwechslung und etwas mehr Spaß ins Spiel.

 Abschlussgespräch mit Dirk Engelhard
(Vizepräsident Bildungswesen  BPV NRW)

Zentrales Thema war natürlich die Etablierung des Leistungssportbereichs in NRW und an welchen Stellen die Trainer/innen diesen Prozess begleiten und unterstützen können.

Die Problematik des Einflusses der „Zocker-Szene“ und der Umgang mit Alkohol/Drogen im Bereich des aktuell sogenannten Leistungssports wurde als absolut kontraproduktiv beim Aufbau einer Leistungssportstruktur, welche logischerweise eng mit der Entwicklung des Trainerwesens und der Arbeit der Trainer/innen verknüpft ist, herausgestellt. So lange diese Strukturen in der Bouleszene so präsent sind, wird es sehr schwer, motivierte Kinder und Jugendliche an den Sport heranzuführen, Training im Leistungsbereich durchzuführen und förderfähige Leistungssportstrukturen aufzubauen. Es war einstimmig im Sinne aller Teilnehmer/innen des Trainerseminars, dass hier andere Signale auf der Verbandsebene gesetzt werden müssen.

Drei sehr arbeitsreiche, „pickepackevolle“ Arbeitstage in Hachen wurden in der abschließenden Feedback Runde noch einmal beleuchtet.

Der Hauptwunsch lag darin, die Ausbildung noch um einen Tag zu verlängern, um mehr Zeit für die Verknüpfung und Unterfütterung der Theorie mit der Praxis zu haben.

Vielen Dank an Michael Weise und Norbert Koch. Es war großartig!

Die nächste Trainerausbildung findet vom 31.07.-04.08.2023 – unmittelbar vor dem Boule-Event 2023 – in Hachen statt. Infos dazu gibt es hier: https://boule.nrw/seminar-trainer-c-boule-breitensport-31-07-04-08-2023